Runde 1: Krieg, Inflation, Pandemie - Zukunftsperspektiven?

Thema

"Krieg, Inflation, Pandemie - Welche Zukunftsperspektiven gibt es? - Wie geht es weiter?"

Seit zweieinhalb Jahren folgt eine Krise nach der anderen: Corona-Krise, enorme Preissteigerungen u.a. für Lebensmittel und Energie, Krieg in der Ukraine. Diese erste Diskussionsrunde sucht nach Ursachen, Erklärungen und Lösungsansätzen.

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"Runde 1: Krieg, Inflation, Pandemie - Zukunftsperspektiven?" auf Odysee

Transkript

01 (00:38) - Uwe Alschner:

Der runde Tisch ist ein - auch gerade für mich als Historiker. Ich bin nicht der einzige Historiker in dieser Runde. - ein sehr, sehr großes Rad, was wir hier versuchen zu drehen. Denn ist natürlich eine historische Reminiszenz. Der runde Tisch am 7. Dezember 1989, an dem isch Oppositionelle und Vertreter des Regimes in der DDR zusammengefunden haben, um über den Weg nach vorne zu sprechen.

Wir haben das hier - Ich sage "wir". Ich habe die Moderation gerne übernommen. - wir haben das hier auch versucht. Wir sind sicher, dass das notwendig ist. Es gibt in diesem Sinne nicht ein Regime und Oppositionelle. Es sind Verhältnisse, die quer durch unsere Gesellschaft gehen. Aber die auf der anderen Seite danach schreien, dass wir uns hier miteinander verständigen und in sofern steht der runde Tisch hier symbolisch, symbolisch trotzdem da, [...]
Es ist aber niemand gekommen, der sozusagen hier etwas vertreten wollte, was die Mitdiskutanten, - obwohl ich noch nicht einmal weiß, was hier der einzelne sagen wird - vertreten würden. Trotzdem stehen wir hier und sitzen wir hier.

Wir, das sind:

  • [...] Dirk Pohlmann ist Journalist, Fernsehjournalist und Publizist und, wenn man jetzt sagen würde Aktivist, wäre das wahrscheinlich schon eine Bezeichnung, die ein bisschen zu weit ginge, weil das Thema der Neutralität gerade auch für die Berichterstattung und die Darstellung dessen, was ist, natürlich eine wichtige Komponente ist. [...]
  • [...] Kal ist Coach, Initiator von Helfa, eine Organisation, über die er vielleicht gleich selbst noch ein bisschen was sagen kann.
  • [...] Malte Griesse [ist] ebenfalls Historiker. [...] Ich bin auch Historiker. Ich bin nicht wissenschaftlich exponiert, Malte Griesse ist es sehr wohl, hat lange wissenschaftlich gearbeitet und tut das, glaube ich, immer noch, wenn auch momentan nicht in Deutschland.

Und wir wollen hier jetzt über das Thema "Krieg, Inflation, Pandemie - wie geht's weiter" sprechen. [...]
... würde ich einfach meine Gäste hier bitten, zu diesem sehr weit gefassten Thema, mal ihre Analyse, ihre These selbst vorzustellen. [...]


02 (04:33) - Dirk Pohlmann:

[...] Die Frage, wie es weitergeht, ist eine wesentliche. Ich bin ja Chefredakteur von Free21 und wir haben eine neue Rubrik eingeführt am Ende des Heftes, die "Utopie" heißt, weil, als Journalist beschäftigt man sich sehr viel mit der Analyse von Ist-Zuständen, wir reden aber viel zu wenig davon, wie eigentlich eine Gesellschaft aussehen soll.

Webseite free21.org

Ich habe das bei Gesprächen in der Familie mit meinen Kindern z.B. gemerkt, die gut aufpassen, wie sie sich in der Uni und auch ansonsten anpassen können, aber die Diskussionen, die ich als ich jung war, - und das ist lange her. Ich sage immer als Dinosauerier die Baumfahne beknabberten. - geführt haben, auf dem Campus, die finden eigentlich nicht mehr statt. Und ich frage mich, warum.

Und es ist ja auch so, dass der Druck, den wir alle erleben, stärker wird. Wir erleben auch, dass es eine Umbruchszeit ist. Jetzt wird davon geredet, dass wir im Winter vielleicht hungern und frieren sollen, was es so auch noch nicht gegeben hat. Und wir sollten uns darüber gemeinsam verständigen.

Ich habe jetzt gerade gehört, dass z.B. der Tagespiegel abgelehnt hat, jemanden hierher zu schicken. Das ist schon ein Problemsignal. Also d.h., eines der größten Probleme, was wir zur Zeit in der Gesellschaft haben, ist wahrscheinlich die Filterblase, dass wir uns nur untereinander verständigen, dass Verständigung über Grenzen hinweg kaum noch möglich ist. Das gelte es aufzuweichen.

Es ist ja auch ein Effekt der Algorithmen in den sozialen Medien, die das Ganze verstärken. Früher war der Effekt ein anderer. Ich bin ja Wessi. Da gab's drei Fernsehsender und da konnte man nicht so rasend viel gucken. Und am Morgen nach Monitor haben die Leute morgens über Monitor geredet, was da am letzten Tag berichtet wurde. Was dazu geführt hat, dass die Privatmedien eingeführt wurden, privates Fernsehen, um das zu beenden, den sogenannten Rotfunk. Das war eine konservative, strategische Ausrichtung.

Wo wir hin wollen? Ich finde, also meine Perspektive wäre: Wir müssten viel mehr gemeinsam dadrüber reden. Und der runde Tisch ist eine Errungenschaft. Wir sollten eigentlich nochmal nach 1989 zurückgucken und sagen "reboot", nochmal anfangen, weil es ist so unendlich viel schief gegangen, das wir jetzt gerade erleben, dass die Sozialdemokraten dabei sind, die Ostpolitik, den Abbruch der Ostpolitik, zu betreiben. Den Abbruch nicht im Sinne von Unterbrechung, sondern Abbrissbirne. Und das sind Zustände, die ich mir selber nicht habe vorstellen können.
[...]


03 (07:15) - Kal:

Ja, hallo. Ich bin Kal und ich habe mich lange mit diesem Thema beschäftigt, schon vor 25 Jahren. Was ich gesehen habe, dass fast kein Teil unserer Gesellschaft anständig funktioniert. Wir leben auf Kosten anderer Erdteile, wie z.B. Afriko & Co. Es sterben Menschen vor Hunger, obwohl wir so produktiv sind, wie noch nie.

Meine Analyse, ich bin Diplominformatiker, Wirtschaftsinformatiker. D.h. ich habe eine etwas andere Sicht darauf. Ich habe eine andere Sicht über Information und Ähnliches. Und ich habe alles, was ich wusste zusammen gepackt. Und in der Informatik ist es so, dass, wenn man ein System hat und man daran rumwerkelt, dass es besser wird. Und es wird nicht besser. Dann hört man irgendwann auf und fängt was ganz Neues an.

Auf gut Deutsch: Ich habe aufgehört zu sagen: Ok, was könnte man denn hier besser machen? Ich habe ein frisches Blatt genommen und gesagt: Ok, wie möchte ich leben? Und, was daraus entstanden ist, das ist das Helfa-Projekt. Das ist ein Teil davon. Das ist, wie können wir die jetzige Gesellschaft in eine neue Art von Gesellschaft rüber bringen, ohne dass wir Verluste haben, ohne dass wir Leute zurück lassen. Und ja, das ist schwierig. Aber was wir wollen, ist eine Gesellschaft des Miteinanders nicht des Gegeneinanders.

Und es gab Leute, die mir gesagt haben: Jung, was willst du denn machen? Meinst du etwa, wir müssen nur die richtige Politik wählen oder Ähnliches? Und darauf habe ich geantwortet: Ich weiß nicht, wann in der Geschichte irgendein Versprechen vor der Wahl nach der Wahl auch eingehalten wurde. Die Menschen gehen mit Ideologien rein und sie verändern sich so stark, dass sie nichts mehr umsetzen. Aus diesem Grund versuchen wir nicht, gegen die Politik zu arbeiten. Wir versuchen nicht, gegen irgendwen zu arbeiten, sondern wir versuchen für etwas zu arbeiten und wir laden alle Menschen ein, da mitzumachen.
Und wie es weiter geht und ähnliches, können wir ja im Laufe des Tages noch weiter besprechen.


04 (09:22) - Uwe Alschner:

Wunderbar, vielen Dank!
Ich darf dann noch unseren vierten Gast in dieser Runde begrüßen:

  • Lui Koray, Filmemacher

Und vielleicht fangen wir gleich mit dir an, [...] dass du dein Statement hier einfach mal eingangs abgibst.

05 (09:42) - Lui Koray:

Ok, also Perspektiven für die Zukunft, ne?
[...] So wie ich die Sache sehe aus meiner individuellen Perspektive ist ja eigentlich der Angriff zuerst mal auf der psychologischen, auf der geistigen Ebene, ne? Und oft reden wir über die ganzen Symptome und die Probleme, aber vergessen die wichtige Dimension.

Also wenn wir jetzt z.B. über diese tötlichen Nebenfolgen, die eventuell tötlich sein könnten, reden, terrorisieren wir unsere Mitmenschen. Und das ist für mich immer sehr schwierig, weil wir werden instrumentalisiert von Leuten, die uns jetzt ein richtig hässliches Spiel vorgelegt haben.

Und wir müssen da sehr schlau überlegen, wie wir agieren, worüber wir reden. Und ich glaube, was wir jetzt, wenn dieses Geld-System, das Wirtschafts-System an ein Ende kommt, ist ja die Frage: Wie geht's weiter? Wer macht das neue System? Wie wir uns wieder organisieren werden. Werden es die unteren 99% sein oder die oberen 99%? Und eigentlich sind wir ja eine Familie und müssten uns wieder versöhnen, damit wir das richtig hinbekommen.

Weil eigentlich in dieser ganzen Geschichte ist es für mich so: Das Geld kontrolliert quasi unsere Gedanken. Wenn es wirklich eine fütternde Hand gibt oder wenn du jetzt z.B. ein Rentner bist und du bist jetzt abhängig davon, dass der Staat dir wirklich in den nächsten 20 Jahren noch Geld auf dein Konto schickt, dann werden deine Gedanken quasi kontrollierbar, weil du willst du nicht zu sehr mit dem Staat anecken. Weil am Ende bist du vielleicht nur ein Obdachloser, der irgendwo Essen suchen muss in diesem neuen System, wo du nicht mehr an Essen rankommst.

Also man muss dieses komplexe Wirtschaftssystem akzeptieren, wie es ist. Es hat ja sehr viele wunderschöne Vorteile. Und wir müssen gucken, wie wir gemeinsam das organisieren. Ich bin da nicht so ein Fan von Parallel-Gesellschaften, weil, z.B. in Katalonien oder in anderen Formen hat es ja existiert. Und wenn wirklich jemand so einen totalitären Staat aufbauen möchte, dann wird er nicht Konstruktives zulassen, [...] was Alternatives, ne.

Also ich glaube, es gibt nur die eine wahre Lösung. Und das ist anstrengend für uns, weil wir auch alle traumatisiert wurden mit sehr vielen Schocknachrichten usw. Wir sind emotional auch schon fast abgekapselt von den Mitmenschen. Und es ist nicht leicht. es ist eine sehr schwere emotionale Arbeit, die wir alle durchmachen müssen. Dafür gibt's Therapeuten, Künstler usw.
Wir müssen zusammen anpacken und dann die anderen Menschen auch gewinnen und auch die Angst vor der Zukunft nehmen.

Weil, wenn man z.B. eine toxische Beziehung verlassen möchte, oder einen Kult oder auch mit Nikotinsucht habe ich letztens erst selber an mir gelernt so. Man muss erstmal Bock auf die andere Zukunft bekommen. Man muss Lust haben, sich zu befreien. Man muss wieder das Geistige, also die visuelle Kraft aktivieren, mal wieder neue Welten ausmalen und auch zeigen. Wir müssen uns halt auch im Alltag immer vorstellen, wer wir sind. Viele Menschen, wenn sie jetzt quasi das alte Weltbild verlassen, müssen neue Freunde suchen gehen [...].

Also müssen wir wissen, wer wartet auf der anderen Seite. Deswegen ist es wichtig, dass jeder einzelne sich erkennbar zeigt, sein Gesicht zeigt und "Hallo, ich bin kritischer!" Ich habe jetzt vielleicht meine alten Freunde verloren - so wie bei mir - aber ich habe auch echt tolle Freidenker kennengelernt und es macht richtig Spaß, sich auszutauschen. Ich habe wunderschöne Menschen kennenglernt. Und dieses Neuzuwenden zu neuem Gedankengut usw., das muss man schmackhaft machen. Man die Ängste vor allem adressieren und die beleuchten. Da gibt es viele Ängste. Und da kommt vor allem es bei mir drauf an.
[...]


05 (12:58) - Malte Griesse:

Ja, danke. Das passt zu meinem T-Shirt hier "Flatten the Fear". [Das] haben auch einige von den Kommunarden mittlerweile.
Und ja, selbstverständlich die Ängste sind ein, ... das wichtigste Herrschaftsmittel und wurden auch immer so eingesetzt.

Die Frage ist ... - also ich stimme absolut zu, dass wir Gemeinschaften bilden müssen. Das Helfa-Projekt finde ich vorbildlich in der Hinsicht, was die Zukunftsperspektiven angeht. Wichtig finde ich es aber auch zu verstehen, wie wir an den Punkt gekommen sind, wo wir jetzt stehen. Und du hast das Geldsystem eben schon angesprochen. Das ist letztlich reine Mathematik, wenn man sich das Zinssystem anschaut. Das ist auch schon sehr früh erkannt worden. Also Richard Price hat im 18. Jahrhundert schon, also vor der französischen Revolution 1772 [in seinem] "Appeal to the Public on National Debt" vorgerechnet, was es bedeutet, wenn ein Penny im Jahre Christi Geburt angelegt wird zu 5% Zinsen, und was dann in seinem Jahr, - das jetzt schon lange, lange her -, dabei herauskommt. Und damals [...] ist er zu dem Ergebnis gekommen, ich weiß nicht, wieviel Millionen mal das Gewicht der Erde in Gold.

Richard Price "Appeal to the Public on National Debt", 1772

So, das heißt, das ist das Wachstum von Vermögen, aber spiegelbildlich dazu ist das genau so das Wachstum von Schulden. Und wenn man sich das vergegenwärtigt, dann ist es sehr klar, wo wir hier stehen. D.h. ... das ist es jetzt wirklich exponentielles Wachstum. - Bei Viren wird es immer angesprochen. - aber der Zins, Zinsezins ... Ohne den Zinseszins wäre es überhaupt kein Problem, aber mit dem Zinseszins wächst es exponentiell und führt mathematisch zu einer immer krasseren Umverteilung von unten nach oben. Und da braucht es auch nicht viel Verschwörungen, sondern es werden immer weniger Menschen, die letztlich an den Schaltstellen sitzen, dadurch dass sie mit ihrem vielen Geld andere manipulieren können.

Das ist das System, in dem wir leben. Und das kollabiert jetzt, wie exponentielles Wachstum immer kollabiert irgendwann. Irgendwann geht es halt drauf. Irgendwann kracht es halt zusammen.

Und wir erleben jetzt gerade den Versuch, das Ganze zu überführen in eine neue Welt mit einer digitalen Zentralbankwährung. Das ist das, was jetzt eingeführt werden soll. Überall laufen Testversuche in verschiedenen Ländern auf der Welt, um letztlich so ein nur über die Zentralbanken geleitetes, digitales Geldsystem einzuführen, was, wie der Chef der Bank for International Settlement, also Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel auch in einer offenen Minute mal angesprochen hat, "ja, dann können wir jede Transaktion kontrollieren". Das ist das Nummer 1.

Den zweiten Grund, den hat er allerdings verschwiegen: Man kann dem Geld dann auch ein Verfallsdatum ansetzen. Man kann Negativzinsen einführen, was bei Bargeld so nicht ohne weiteres möglich ist.

Es gab allerdings Vorschläge, ganz pragmatische Vorschläge, die auch sich in der Realität schon bewährt haben für ein anderes Geldsystem. Silvio Gesell steht dafür, der hat während des ersten Weltkriegs sein Hauptwerk publiziert "Die natürliche Wirtschaftsordnung", wo er letztlich analog zu Marx - Marx hatte analysiert den Widerspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital - und er hat den Widerspruch zwischen Geldkapital und Sachkapital analysiert.

Silvio Gesell "Die Natürliche Wirtschaftsordnung"

Kurzgesprochen: Geldkapital überdauert Zeit. Es ist ein Aufbewahrungsmittel eben auch. Und das Sachkapital, [...] Waren [...] verderben oder verursachen Lagerkosten. D.h., der Geldbesitzer ist immer im Vorteil. Und Gesell hat vorgeschlagen, ein Geldsystem einzuführen, das genauso funktioniert wie die Waren, also an Wert verliert. [...]

Es wurde ausgetestet in Wörgl in Österreich Anfang der 30er Jahre in der großen Weltwirtschaftskrise nach 1929, wo man dann pro Monat 1% Abschlag auf das Geld gemacht hat. Und das war ein Geldsystem, es hat sich bewährt. [...] Die Arbeitslosigkeit wurde um 25% gesenkt innerhalb von einem Jahr. Die Wirtschaft hat geblüht. Und es wurde von der Zentralbank platt gemacht.

Wikipedia Wörgler Schwundgeld - das Experiment

Also es gibt die Rezepte. Und wir werden das so im Moment nicht umsetzen können mit einem Geldsystem. Da wird reingeschlagen, aber über die Gemeinschaften müssen wir erstmal über den Face-to-Face-Bereich gehen.

Das jetzt vielleicht als Einstieg.